Humor ist eine ziemlich ernste Sache. Zumindest für diejenigen, die ihn übersetzen sollen. Sprachliche und kulturelle Unterschiede sorgen dafür, dass der Witz bei wörtlicher Übertragung schnell auf der Strecke bleibt, und manchmal bleibt den Übersetzer:innen nur eines: Sie müssen selbst kreativ werden.
Über Humor lässt sich wunderbar streiten, denn objektiv lustig ist er nie. Wie unterschiedlich das individuelle Verständnis von Humor ist, erleben wir fast täglich. Etwa, wenn wir mit einer lustigen Bemerkung auf Unverständnis stoßen oder umgekehrt den Humor anderer als banal oder unpassend empfinden.
Übersetzerinnen und Übersetzer haben mit Humor allerdings ganz andere Probleme. Kaum etwas sträubt sich so sehr gegen Übersetzung wie Ironie, Sarkasmus, Witz, Wortspiele oder hintergründige Anspielungen. Manchmal steht nur die unterschiedliche Sprache im Weg, oft sind es aber die kulturelle Prägung und die landesspezifische Historie.
Transcreation: Weil Humor und Wortspiele mehr sind als Sprache
Humor zu übersetzen, ist eine Königsdisziplin. Nur wenige Profis beherrschen sie wirklich gut. Denn in den allermeisten Fällen spielt Transcreation zumindest teilweise eine Rolle. Transcreation geht über reine Übersetzung hinaus: Es ist die Kunst, gesprochenen oder geschriebenen Ausgangstext so umzuwandeln, dass er in einem anderen Sprach- und Kulturraum die gleiche Emotion auslöst. In diesem Fall: Lachen.
Die Übersetzungs-Profis müssen also nicht nur topfit in beiden Sprachen sein, ihre Tätigkeit erfordert auch tiefe Kenntnis der Kultur und Geschichte des Ziellandes. Wenn es um Humor geht, kommt zum Sprachgefühl ein wesentlicher Faktor hinzu. Über die Sprachkenntnisse hinaus – und über die Fähigkeit hinaus, auch subtilen Humor als solchen zu erkennen – bedarf es der Fähigkeit, selbst humorvoll zu sein.
Gelungene Transcreation: Viel mehr als internationale Übersetzung
Wie weit Transcreation gehen kann, zeigt exemplarisch die deutsche Synchronfassung des Films Willkommen bei den Sch’tis von 2008. Die französische Komödie bezieht ihren Humor großteils aus dem nordfranzösischen Ch’ti-Dialekt, der in den Ohren aller anderen Franzosen recht verschroben klingt – und im Film natürlich zu zahlreichen Missverständnissen führt. Die Übersetzer:innen verzichteten auf den naheliegenden Weg, einen deutschen Dialekt mit ähnlicher Wirkung einzusetzen. Stattdessen erfanden sie einen fiktiven Dialekt, der phonetisch an die Eigenheiten des Ch’ti angelehnt ist.
Eine Großmeisterin der Transcreation war Erika Fuchs, die Übersetzerin zahlreicher Disney-Comics von Carl Barks. Berühmt wurde etwa ihre Version der Stelle, an der die drei Neffen von Donald Duck beschließen, sich nie wieder zu waschen. From this moment we are the three Un-Ducks – unkempt, uncombed and unbathed!, schwören Huey, Dewey und Louie einander im Original.Ein eher banales Wortspiel, das Erika Fuchs durch eine phantastische Schiller-Paraphrase ersetzt: Hier schwören Tick, Trick und Track: Wir wollen sein ein einig Volk von Brüdern, in keiner Not uns waschen und Gefahr!
Besser geht es nicht.
Was ist eigentlich lustig? Warum Sprache und Kultur bei Texten entscheidend sind
Verschiedenen Kulturen unterschiedliche Arten von Humor zuzuschreiben ist in vielen Fällen ein Klischee. Dass diese Klischees manchmal Berechtigung haben, zeigt wiederum ein Blick auf die Kunstform Film. Asiatische Filmkomödien beispielsweise erzielen in Europa oft nicht dieselben Effekt, weil die Schauspieler:innen gestisch und mimisch für europäischen Geschmack übertreiben und der Humor hier oft nicht als komisch, sondern als kindisch empfunden wird.
Unterschiede zeigen sich auch innerhalb Europas schnell: Der berühmte britische Humor etwa – die einzigartige Mischung aus feinsinnigem, hintergründigem Wortwitz und brachialer, bisweilen vulgärer Komik – ist oft nicht adäquat zu übersetzen. Ein Klassiker in dieser Hinsicht ist Monty Python’s Flying Circus, eine TV-Serie, die zwischen 1969 und 1974 Maßstäbe setzte. Die durchaus gelungene Transcreation der deutschen Synchronfassung kann in vielen Fällen den Witz des Originals simulieren, aber dennoch nicht begreiflich machen.
Wenn der Witz historisches Wissen voraussetzt
Humor basiert häufig auch auf der Kenntnis historischer Gegebenheiten. Das gilt für Asterix ebenso wie für die Göttliche Komödie. Die Comedia von Dante liegt in großartigen deutschen Übersetzungen vor. Sie alle bedürfen aber eines umfangreichen Apparats, der die unzähligen Anspielungen auf Geschehnisse und Personen der Zeit erklärt. Auch die Comicreihe Asterix ist voll von Anspielungen auf historische Ereignisse – da Fußnoten in Comics aber eher störend wirken, haben die deutschen Übersetzer:innen ganze Arbeit geleistet, die originalen Anspielungen in vielen Fällen durch gelungene Transcreation in für die deutsche Leserschaft Verständliches zu übersetzen.
Wie sich die Art von Humor permanent verändert
Hinzu kommt, dass sich auch innerhalb kultureller Räume das Gefühl dafür, was lustig ist und was nicht, ständig verändert. Über den Einfluss der Political Correctness auf den Sinn für Humor wird zum Beispiel seit Jahren heftig gestritten. Comedy-Serien wie Little Britain, die zwischen 2003 und 2006 mit zuvor nicht erreichter Härte jede denkbare Minderheit (und Mehrheit) lächerlich machte, wären heute – auch nach Aussage der damals Beteiligten –nicht mehr möglich.
Das kann man bedauern oder auch nicht. Tatsache ist jedoch, dass gesellschaftliche Veränderungen des Humors nicht in allen Teilen der Welt synchron erfolgen. Während Political Correctness in angloamerikanischen und europäischen Kulturen derzeit massiven Einfluss hat, ist das in anderen Teilen der Welt ganz anders. Die Transcreation von Humor muss daher auch diesen Aspekt berücksichtigen: Wie weit kann man in welchem Kulturraum gehen? Was ist sagbar, was nicht, und wie weit kann man die Grenzen des Humors ausloten?
Wenn Übersetzen aus dem Ausgangstext auch mal scheitert
1966 erschien mit Asterix bei den Briten einer der bis heute besten Teile der französischen Comicreihe. Er arbeitet sich liebevoll an den gängigen England-Klischees ab: am Kult um den Nachmittagstee, der britische Fairness, schlechtem Essen, warmem Bier – und natürlich an den sprachlichen Eigenheiten. Die 1971 erschienene deutsche Fassung ist zwar ein Musterbeispiel perfekter Übersetzung, an den Anspielungen auf die Sprache musste sie aber teilweise scheitern. Die berühmte Verdoppelung der Engländer It is, isn’t it? hat mit Es ist, ist es nicht? eine gute Übertragung aus dem französischen Original gefunden (Il est, n’est-il pas?). Eines war jedoch schlicht unübersetzbar: Die Briten setzen im Comic konsequent die Adjektive vor die Substantive. Das klingt im Französischen ziemlich witzig. In der deutschen (und natürlich der englischen) Fassung funktioniert das naturgemäß nicht.
Ein Extrembeispiel, keine Frage. Dennoch ist Humor in die Zielsprache manchmal schlicht unübersetzbar. Vor allem, wenn es um Wortspiele geht, wie folgender Witz zeigt: Ein englischer Schuhmacher inseriert: I will heel you, i will save your sole and I will even dye for you.
Wir wünschen viel Vergnügen beim Versuch, das zu übersetzen 😅!