Unternehmen stecken viel Zeit, Manpower und Kreativität in ihre Geschäftsberichte. Es gibt gute Argumente, warum sie an der Schnittstelle zwischen Information und Marketing der Übersetzung die gleiche Aufmerksamkeit einsetzen sollten.
Langweilig? Die Zeiten sind lange vorbei. Geschäftsberichte waren einst mehr oder weniger öde Darstellungen der Unternehmenskennzahlen, mit C-Level-Vorworten und von der Stange generierte Finanzberichte. Doch was für eine Entwicklung! Moderne Geschäftsberichte verbannen das rechtlich Geforderte oft auf die letzten Seiten, während den überwiegenden Teil Einblicke ins Unternehmen, Interviews, Kommentare und natürlich hervorragende Bilder einnehmen: Storytelling in Reinkultur. Kein Wunder, dass sich längst eigene Awards etabliert haben, die Jahr für Jahr wahre Meisterwerke des Genres auszeichnen.
Professionelle Übersetzung für korrekte Zahlen
Übersetzte Versionen des Geschäftsberichts sind in manchen Fällen verpflichtend, aber fast alle Unternehmen lassen zumindest eine englische, oft auch eine mehrsprachige Übersetzung anfertigen. Und es gibt einige gute Gründe, das von Profis erledigen zu lassen.
Der nächstliegende: Im Kern ist und bleibt der Geschäftsbericht die rechtlich verbindliche Information über die finanzielle Lage und strategische Ausrichtung des Unternehmens. Es ist kein Akt der Höflichkeit, die Stakeholder korrekt zu informieren, sondern für die meisten Unternehmen ganz einfach Pflicht.
Dabei die spezifische Terminologie einzuhalten, bleibt schon bei der Erstellung des Berichts den Fachleuten vorbehalten. Für gute Übersetzung gilt das gleiche: Umgangssprachliche oder ungenaue Übertragung der Fachtermini in die Zielsprache ist hochgradig gefährlich, da Missverständnisse und Fehlinterpretationen massive rechtliche und finanzielle Konsequenzen haben können. Noch komplizierter wird es bei unterschiedlichen Standards der Rechnungslegung wie IFRS oder US-GAAP. Einzelne Begriffe können je nach Standard unterschiedliche Bedeutungen haben. Die Einhaltung der korrekten Terminologie ist hier besonders sensibel.
Abgesehen davon ist fehlerfreie Finanzkommunikation in jeder Branche auch ein Image-Faktor. Selbst ohne rechtliche Folgen sind Fehler in diesem Bereich einfach peinlich.
In professionellen Übersetzungsbüros arbeiten nicht nur Muttersprachler:innen in der Zielsprache, sondern auch Expertinnen und Experten für Finanzkommunikation. Und die können außerdem sprachliche Konsistenz sicherstellen: In kundenspezifischen Datenbanken sind Fachbegriffe und ihre jeweilige korrekte Übersetzung hinterlegt, womit eine einheitliche Fachsprache über den ganzen Bericht hinweg gesichert ist.
Überzeugende Geschäftsberichte sind (auch) pure Emotion
Konsistenz hat eine weitere Dimension: Geschäftsberichte müssen nicht nur in sich ein rundes Bild ergeben, sondern auch mit dem erwünschten Image des Unternehmens übereinstimmen. Sprache und Bildsprache vermitteln – und sei es nur unbewusst – neben Informationen immer auch Emotionen.
Während die tabellarische Darstellung von Kennzahlen per definitionem emotionslos ist, ist das redaktionelle Umfeld eine Emotions-Klaviatur: Ein Geschäftsbericht kann nahbar oder distanziert wirken, jugendlich oder erfahren, lässig oder seriös – je nachdem, wie das Unternehmen wahrgenommen werden will. Geschäftsberichte sind Informationsträger und Marketing-Tool in einem. Gute Texter:innen beherrschen diese Klaviatur. Gute Übersetzer:innen ebenso.
Lokalisierung: Übersetzen des Geschäftsberichts mit kulturellem Verständnis
Und noch etwas beherrschen sie: die Anpassung von Texten an andere Kulturen. Sprachgrenzen bilden immer auch Kulturgrenzen, und hier können selbst kleine Unterschiede Einfluss auf das Textverständnis haben.
Darum kümmert sich die Lokalisierung: Das Ausgangsmaterial wird an die kulturellen Normen und Gegebenheiten des Zielmarkts angepasst. Wie ist der lokale Sprachgebrauch abseits der Norm? Gibt es soziale Verhältnisse, auf die man Rücksicht nehmen muss? Manches ist auch recht banal, wie etwa Datums- und Zeitformate, Währungen oder physikalische Einheiten. Lokalisierung geht also einen bedeutenden Schritt über die klassische Translation hinaus.
Transcreation: Wenn Übersetzer:innen selbst kreativ werden
Transcreation geht sogar noch einen Schritt weiter. Sie verfolgt den Ansatz, bei Leser:innen im Zielmarkt die gleichen Emotionen auszulösen wie bei jenen im Heimmarkt. Für Transcreation reicht lokalisierende Übersetzung nicht immer aus – in manchen Fällen müssen Inhalte komplett überarbeitet werden. Übersetzung wird dann selbst zum Storytelling. Und ergänzt Präzision um Emotion.
Ein Beispiel: Ein Unternehmen, das innovative Technologie entwickelt und sich zugleich glaubwürdig für Nachhaltigkeit, Gendergerechtigkeit oder Diversity engagiert, wird beides mit vollem Recht in seinem Geschäftsbericht betonen. Gegenüber Stakeholdern in anderen Kulturen mag es angebracht sein, das Gleichgewicht ein wenig in Richtung der Technologie zu verschieben. Es muss einem zwar nicht gefallen, doch in Weltgegenden, in denen ökologisches Engagement oder gesellschaftliche Vielfalt keine Konjunktur haben, mag es sinnvoll sein, doch eher auf die gute alte deutsche Ingenieurskunst zu setzen, ohne dabei ersteres unter den Tisch fallen zu lassen.
Es muss aber nicht immer nur um die großen Themen gehen. Transcreator:innen achten zum Beispiel auch darauf, ob Anspielungen in der Zielsprache verstanden werden. Bezüge zu historischen Ereignissen, zu Kunst oder Popkultur werden nur funktionieren, wenn der Hintergrund bekannt ist. Hier muss Transcreation selbst kreativ werden und bei Bedarf neue Bezüge herstellen. Eine Expertise, die nur echte Profis haben.
Bildsprache: Den Geschäftsberichten neue Kleider geben
Gute Geschäftsberichte beinhalten auch Bildsprache, die ebenso ästhetisch wie strategisch durchdacht ist. Auch sie muss bei einer übersetzten Version auf Zielgruppengerechtigkeit überprüft werden. Wenn etwa Stakeholder in asiatischen, afrikanischen oder südamerikanischen Ländern mit Fotos konfrontiert werden, die ausschließlich typische Mitteleuropäer:innen zeigen, wird dies wenig einladend wirken.
Und auch die Geschichten, die die Bilder erzählen, können unpassend sein. Beliebt sind zum Beispiel Fotos, die harmonische Teams und flache Hierarchien darstellen. In Weltgegenden mit hierarchischer Arbeitskultur und der Betonung der Leistungsbereitschaft werden solche Darstellungen ihre Intention verfehlen.
Geschäftsberichte maschinell übersetzen lassen? Hände weg!
Geschäftsberichte sind rechtlich hoch relevant. Und gleichzeitig ein viel beachteter Baustein des öffentlichen Unternehmensbildes. Für beide Sphären gilt: Übersetzung durch Künstliche Intelligenz ist – trotz all ihrer unbestreitbaren Meriten – nicht in der Lage, die Übersetzung durch menschliche Profis zu substituieren.
Und ganz nebenbei: Eine hochwertige Übersetzung ist auch ein wichtiges Kriterium bei den großen Awards für Geschäftsberichte.