Werbung und Marketing zünden nur dann, wenn sie Emotionen auslösen. Die besten Argumente nützen nichts, wenn sie in der Zielgruppe nicht Freude, Trauer, Mitgefühl, Leidenschaft, Nostalgie oder andere starke Gefühle hervorrufen. All dies auf die Zielgruppe in einem anderen Kulturkreis zu übertragen, ist eine besondere Herausforderung. Mit professioneller Transcreation kann man diese jedoch spielend meistern.
Der Claim ist nahezu perfekt: Wer „Haribo macht Kinder froh …“ hört, kann den Satz sofort vervollständigen und hat meist auch noch die Melodie aus der Werbung im Ohr. Die Mischung aus simpler, positiver Botschaft, gereimtem Zweizeiler und perfekter Metrik macht den Claim des deutsche Süßwarenherstellers seit vielen Jahren zu einem Dauerbrenner in der Werbung.
Eine erfolgreiche Mischung, die Haribo auch in den Märkten außerhalb Deutschlands einsetzen wollte. Da die wörtliche Übersetzung – in welche Sprache auch immer – von der Wirkung des Reims nicht viel übriglässt, tritt Haribo mit neu gedichteten Zweizeilern an. In Italien etwa mit „Haribo è la bontà – che si gusta ad ogni età“. Im Englischen wurde aus dem Claim „Kids and grown-ups love it so – the happy world of Haribo”, und die Franzosen lesen und hören „Haribo c’est beau la vie – pour les grands et les petits“. Auf Niederländisch wurde daraus „Haribo maakt kinderen blij –volwassenen horen ook daarbij“, und im Spanischen „Vive un sabor mágico – ven al mundo Haribo”.
Genau so sieht gelungene Transcreation für internationale Märkte aus.
Warum Transcreation viel mehr ist als reine Übersetzung und Lokalisation
Transcreation ist gewissermaßen die hohe Schule der Übersetzung. Sie geht nicht nur über die klassische Aufgabe der Übersetzer:innen hinaus, sondern auch über die Lokalisation, also die Anpassung von Bild und Text oder ganzen Kampagnen an die sprachlichen und kulturellen Besonderheiten im Zielland oder dem Zielmarkt.
Die Transcreation überträgt das, worum es in jeder Marketing- oder Werbekampagne letztlich immer geht: die Emotion. Eine Mischung aus Transkription und Creation also, die den Beteiligten – den Transcreator:innen – eine ganze Menge abverlangt. Sie müssen nicht nur Ausgangssprache und Zielsprache beherrschen und darüber hinaus tiefes Wissen über die Kultur des Ziellandes haben. Sie müssen sich auch im kreativen Marketing- und Werbe-Umfeld bewegen können. Da all diese Eigenschaften nicht oft in einer Person gebündelt sind, ist es durchaus üblich, dass kleine Teams die Transcreation übernehmen, etwa Spezialist:innen für Lokalisation mit muttersprachlichen Marketing- und Werbe-Texter:innen. Ein intensives Briefing über Kernbotschaft, Stil und Tonalität der Marketingmaterialien ist natürlich Voraussetzung, um die beabsichtigte Wirkung auf neue Märkte übertragen zu können.
Best Practice: So funktioniert Transcreation
Da die Methode längst nicht so neu ist wie der Begriff selbst, existiert eine ganze Reihe an Best Practices für perfekte Transcreation. Sie zeigen die breite Palette des Themas: vom einzelnen Claim oder Slogan bis hin zu kompletter Neukonzeption von Kampagnen, aber auch Büchern oder Filmen. Ein kleines Best-of (und Worst-of) der Transcreation:
Lidl
Lidl setzt im deutschsprachigen Raum seit Jahren auf den Claim „Lidl lohnt sich“. Neben der Kürze lebt der Satz von der durch die drei „L“ entstehenden Alliteration. Da beides gemeinsam wohl in keiner anderen Sprache funktioniert, setzt der Discounter-Konzern auf Transcreation. Im Englischen tritt Lidl mit „Big on Quality, Lidl on Price“ an. Ein Claim, der nicht nur ein Wortspiel generiert, sondern offenbar auch den Hintergedanken verfolgt, zu einem geflügelten Wort zu werden.
Intel
Chip-Riese Intel hat sein „Intel: Sponsors of Tomorrow” speziell für den brasilianischen Markt adaptiert. Nachdem die Übersetzung ins brasilianische Portugiesisch beim Publikum nicht so recht ankam, ergaben Befragungen, dass sie falsch verstanden wurde: Intel werde sein Versprechen erst in ferner Zukunft einhalten. Mit „Apaixonados pelo futuro“ („Leidenschaft für die Zukunft“) war die Unklarheit beseitigt.
McDonald’s
Als McDonald’s vor mehr als 20 Jahren mit dem Claim „i’m lovin‘ it“ in den Markt ging, war Transcreation ein elementarer Teil des weltweiten Brandings. Interessanterweise entschied sich der Konzern in vielen Ländern dafür, die englische Version beizubehalten – so etwa in Österreich, wo englischsprachige Claims laut Befragungen besonders gut ankommen. In Deutschland hingegen wurde daraus „Ich liebe es“. In der spanischen Version „Me encanta“ entspricht das Verb eher dem deutschen „mögen“: Im Spanischen ist „amar“ deutlich mit Romantik assoziiert. Ähnlich sieht es mit der chinesischen Version aus, da das entsprechende Verb hier in der Öffentlichkeit eher vermieden wird.
Procter & Gamble
Konsumgüter-Konzern Procter & Gamble stand vor einer ähnlichen Herausforderung wie Haribo. Der Bodenwischer Swiffer wurde im Original mit dem Slogan „When Swiffer’s the one, consider it done” beworben, auch hier eine perfekte Symbiose von klarer Aussage, Reim und eingängiger Metrik. Für den italienischen Markt fand die Marke eine perfekte Transcreation: „La polvere non dura, perché Swiffer la cattura“.
Apple
Erinnern Sie sich noch an den iPod Shuffle? Der besonders kleine MP3-Player wurde von Apple mit dem Slogan „Small Talk“ ins Feld geschickt. Das schöne Wortspiel mit dem bekannten Idiom und der maximal verdichteten Aussage zu Größe und Funktion des Geräts war, wie fast alle Wortspiele, in dieser Form nicht zu übersetzen. Transcreation machte daraus perfekte Adaptionen an Sprache und Kultur in den Zielmärkten: etwa „Ya sabe hablar” („Er kann schon sprechen“) für den spanischen Markt, „Donnez-lui de la voix“ („Lassen Sie ihn für Sie sprechen“) in Frankreich, „Petit parleur. Grand faiseur“ („Kleiner Redner. Großer Macher“) in Kanada sowie „Mira quién habla” („Sieh mal, wer da spricht“) in Lateinamerika. In jeder Fassung bleiben sowohl die kurze Form als auch die Kernaussage annähernd erhalten.
Exkurs: Transcreation in der Popkultur
Transcreation wird auch eingesetzt, um komplette popkulturelle Welten zu adaptieren. Das Ergebnis einer der umfangreichsten Transcreationen hielten wohl alle schon mal in Händen: Die Walt-Disney-Geschichten rund um Donald Duck und Entenhausen. Die legendäre Übersetzerin ins Deutsche, Erika Fuchs, war tatsächlich eine geniale Transcreatorin. Sie verpasste den klassischen Storys von Carl Barks eine Unmenge an Anspielungen, Zitaten, Redewendungen und Wortspielen, die den Zieltext intellektuell zum Teil deutlich über den Ausgangstext heben.
Darüber hinaus passte der Verlag in vielen Fällen auch die Namen an die jeweiligen Landessprachen an. Der Name Scrooge McDuck zum Beispiel verbindet im Original die Anspielung auf den misanthropischen und geizigen Ebenezer Scrooge in Charles Dickens‘ Weihnachtsgeschichte mit dem Klischee des geizigen Schotten. Da die Kombination im Deutschen nicht bei den gleichen Assoziationen landet, erhielt er einfach einen betont altmodischen Namen – und wurde zu Onkel Dagobert.
Ähnlich erging es den drei Neffen von Donald: Die Namen Huey, Dewey und Louie sind nur für englischsprachige Menschen einfach auszusprechen. Während sie im Deutschen mit Tick, Trick und Track einfach nur lustig klingende Kunstnamen erhielten, klingen diese im Italienischen (Qui, Quo und Qua) sogar wie die Laute einer kleinen Ente.
Exkurs: Transcreation im Film
Ein Beispiel unter vielen für intensive Transcreation im Film liefert der Pixar-Trickfilm „Inside Out“ aus dem Jahr 2015. So will zum Beispiel ein kleines Kind partout seinen Brokkoli nicht essen – das Gemüse hat in den USA ungefähr den Ruf, den Spinat in Deutschland hat. Für den japanischen Markt wurden die Brokkoli durch Paprika ersetzt, der dort als Klassiker für alles gilt, was Kinder nicht essen wollen.
In einer weiteren Szene entziffert ein Elefant den Text einer Warntafel, indem er mit seinem Rüssel langsam die Buchstaben entlangfährt. Der Text wurde natürlich in die jeweiligen Landessprachen übersetzt, doch die Animateure dachten auch daran, gegebenenfalls die Leserichtung zu beachten – womit der Elefant nun in gewissen übersetzten Versionen ganz korrekt rechts mit der Entzifferung beginnt.
Kreative Übersetzung, schmerzlich vermisst
Doch zurück zum Bereich des Marketings. Die Geschichte der Kommunikation ist gut gefüllt mit Beispielen, in denen Transcreation äußerst hilfreich gewesen wäre.
Translation ist nicht Transcreation
So manche Marke ging in die Falle der wörtlichen Übersetzung. Kentucky Fried Chicken musste das erleben, als es den legendären Slogan „finger-lickin› good“ wörtlich ins Chinesische übersetzen ließ. Leider kam dabei die Aufforderung heraus, die eigenen Finger zu verspeisen. Die schwedische Electrolux bewarb in den 1970er-Jahren ihre Staubsauger in den USA tatsächlich mit „Nothing sucks like Electrolux“. Ein Fauxpas, der wohl dem damals noch wenig verbreiteten Wissen um englische Umgangssprache geschuldet war.
Kulturelle Fallstricke
Manchmal sind es aber auch kulturelle Gegebenheiten, die Probleme bereiten. Zumindest, wenn entsprechende Recherche ausbleibt. Ausgerechnet McDonald’s, Meister der Transcreation, beging diesen Fehler bei der Bewerbung einer Halloween-Erdbeereis-Edition. Der im Grunde witzige Slogan „Sundae Bloody Sundae“ war als Hommage an den U2-Song gedacht. Dass es darin um den Bloody Sunday geht, der in Nordirland bis heute traumatisch nachwirkt, war eine Feinheit, die in der Konzeption der Kampagne offenbar nicht auffiel. Den Kunden in Nordirland allerdings durchaus.
Weniger dramatisch, aber dennoch unbefriedigend verlief der Versuch von Procter & Gamble, in Japan Pampers-Windeln zu bewerben. Die Packung zeigte einen Storch, der ein Baby bringt – hierzulande ein allgemein bekanntes Symbol. Das in Japan allerdings kein Mensch kennt, denn hier dienen übergroße Pfirsiche als Baby-Transporteure.
Worauf es ankommt: So finden Sie den richtigen Sprachdienstleister
Kampagnen an die spezifischen Bedürfnisse und Erwartungen einer anderen Kultur zu adaptieren ist definitiv ein Job für Profis. Die komplette Markenbotschaft für einen Zielmarkt neu zu verfassen, neu zu denken, das bedarf der richtigen Partner:innen. Um diese zu finden, sollten Sie folgende Fragen stellen:
Welche Referenzen kann das Übersetzungsbüro für gelungene Transcreationen vorweisen?
Decken die Mitarbeiter:innen alle angepeilten Zielsprachen ab, und beherrschen sie gleichzeitig auch die Ausgangssprache perfekt?
Kennen die Transcreator:innen Mentalität, Eigenheiten, Gewohnheiten – aber auch politische und historische Fakten – des Ziellandes wirklich gut?
Gibt es Erfahrung in der Zusammenarbeit mit Kreativagenturen und entsprechende Referenzen?