Kann man Humor übersetzen? Wo die Sprache hilft – und wo die Übersetzung scheitert

Thomas Schmedemann

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Die Übertragung von Humor in eine Zielsprache zählt zu den lohnendsten, aber auch zu den schwierigsten Jobs von Übersetzer:innen. Was in einer Sprache zündet, kann in der anderen völlig unkomisch wirken. Manchmal funktioniert die Übersetzung hervorragend – und manchmal hätte man es besser bleibenlassen.

In Der tödlichste Witz der Welt, einem Sketch der britischen Komikertruppe Monty Python, erfinden die Briten während des zweiten Weltkriegs einen Witz, der so lustig ist, dass man vor Lachen stirbt. Er wird in Kleingruppen fertiggestellt – schon ein paar Worte zu viel davon zu hören, ist ja lebensgefährlich –, ins Deutsche übersetzt und an der Front mit tödlicher Wirkung vorgelesen. Der deutsche Text des Witzes ist Kunstsprache. Er klingt, wie Deutsch in englischen Ohren eben klingt: hart, ungelenk, unmelodisch.

Der berühmte Sketch ist voll von Anspielungen auf englische und deutsche Klischees. Nicht zuletzt auf die unterschiedlichen Arten von Humor. Der von den Deutschen eingesetzte „Vergeltungswitz“ ist so schlecht, dass er bei den Briten nur Verwunderung auslöst. 

Transcreation schlägt wörtliche Übersetzung 

Das Übersetzen von Humor gehört auch für Profis zu den besonders herausfordernden Aufgaben. Reine Übersetzung Wort für Wort funktioniert fast nie. Stattdessen geht es nahezu immer um Transcreation, also die sinngemäße Übertragung von Inhalten in andere Sprachen und Kulturräume – mit dem Ziel, dort die gleiche Emotion auszulösen. Übersetzerinnen und Übersetzer, die sich an den Herausforderer ‚Humor‘ heranwagen, müssen also selbst eine wesentliche Eigenschaft besitzen, die man leider nicht lernen kann: Humor.

In vielen Fällen gelingt das sehr überzeugend. In manchen eher nicht.

Wortspiele: Wenn der Witz fast immer auf der Strecke bleibt

Wortspiele sind in den meisten Fällen unübersetzbar. Für Sätze wie I wasn’t going to get a brain transplant, but then I changed my mind findet man in keiner Kultur der Welt eine sprachliche Entsprechung, die den Witz ebenbürtig transportiert. Kommt ähnliches in der Literatur oder im Film vor, bleibt nur, ein völlig neues Wortspiel oder eine entsprechende Redewendung zu erfinden. Oder die Stelle einfach unlustig zu übersetzen.

Ganz andere Chancen ergeben sich bei Anspielungen.

Anspielungen: Humor auf der Basis des Bekannten

Humor entsteht in vielen Fällen daraus, dass auf Ereignisse angespielt wird, die allgemein bekannt sind. Ein klassischer Auftrag für die Transcreation: Denn was in Frankreich jeder kennt, kann in Deutschland völlig ohne Kontext sein.

Zu den Großmeistern dieses Fachs zählten und zählen die deutschen Übersetzer:innen der französischen Asterix-Comics. Die seit 1959 erscheinenden Bände waren vor allem in der Frühzeit, als René Goscinny textete, übervoll von großartigen Verweisen auf Geschichte, Kultur und auch Popkultur. Vieles davon universell verständlich, anderes wohl nur für Franzosen und Französinnen. Die Übersetzer:innen der Comics leisteten hinsichtlich Transcreation perfekte Arbeit.

Ein Beispiel: Als die Gallier in Asterix bei den Olympischen Spielen im Hafen Piräus landen, singen sie im Chor ein Lied, das auf ein bekanntes französisches Chanson anspielt und mit einigen Wortspielen an die Comic-Handlung adaptiert ist. Da das Chanson im deutschen Sprachraum unbekannt ist, mussten die Texter:innen beim Wortwitz kreativ werden. In der deutschen Version singen die Gallier „Ein Schiff wird kommen …“ Auch hier also der Verweis auf einen bekannten Schlager, der noch dazu ebenfalls Bezug zur Handlung hat: Das Lied beginnt mit den Worten „Ich bin ein Mädchen aus Piräus“.

Erfolgreich gelöst ist etwa auch die deutsche Synchronisation der englischen Filmkomödie von 1995 Der Engländer, der auf einen Hügel stieg und von einem Berg herunterkam. Der Witz des Films basiert unter anderem auf der legendären Rivalität zwischen Engländern und Walisern – die dem deutschsprachigen Publikum aber weitgehen unbekannt ist. Im Film prallen immer wieder die beiden Dialekte aufeinander und lösen beim Gegenüber Unwillen und Unverständnis aus. Die Übersetzer:innen verzichteten zum Glück darauf, hier deutsche Dialekte einzusetzen – schafften es aber dennoch, die Rivalität der beiden Volksgruppen permanent humorvoll spürbar zu machen.

Kulturelle Unterschiede: Nicht nur Sprache macht den Humor

Der individuelle Sinn für Humor ist bekanntlich sehr divers. Doch auch zwischen den Kulturen gibt es deutliche Unterschiede. Vieles davon ist Klischee, oft genug aber trifft es zu.

Den Übersetzer:innen verlangt das besonderes Fingerspitzen- und Sprachgefühl ab. Basiert der Witz etwa auf sexuellen Anspielungen oder auf Themen, die an der Political Correctness kratzen, ist in mancher Zielkultur Vorsicht geboten – entsprechende Entwicklungen verlaufen nicht überall synchron, weshalb die Transcreator:innen auch gut über die aktuell herrschende Stimmung im Zielland Bescheid wissen müssen.

Dass auch innerhalb gemeinsamer Sprachräume unterschiedliche Humor-Klimazonen herrschen, zeigen etwa die markanten Unterschiede zwischen Deutschland und Österreich.

Gut sichtbar ist das zum Beispiel an der Kabarett-Szene. Viele deutsche Kabarettisten gehen eher brachial vor, während in Österreich meist subtilerer und vor allem deutlich schwärzerer Humor vorherrscht. Interessanterweise sind Kabarettisten wie Josef Hader in Deutschland dennoch sehr erfolgreich, obwohl gerade er häufig ein Musterbeispiel an pessimistisch-schwarzem Humor ist. Wer Auftritte des Kabarettisten und Schauspielers in Deutschland sieht, wird allerdings bemerken, dass Josef Hader selbst seine Sketches einer Art Transcreation unterzieht. Einige österreichische Begriffe, die in Deutschland nicht bekannt sind, hat er übertragen. Aber auch die Tonalität seiner Ironie ist an einigen Stellen leicht verändert, um auch das deutsche Publikum zu erreichen.

Und manchmal kann es auch zu viel des Guten sein

Vor allem im Bereich des Films sind Synchronstudios immer wieder verleitet, Humor einzusetzen, wo ursprünglich keiner vorgesehen war. Eine Hochblüte erlebte dieser Effekt in den 1970er-Jahren, als eine Welle heute eher anstrengend wirkenden Humors durch die Kinos schwappte.

Das zeigt sich oft an den Filmtiteln. Der großartige Komiker Louis de Funès wurde häufig Opfer dieser Mode: Während die Streifen im Original meist neutrale, deskriptive Titel tragen, heißen sie in der deutschen Fassung etwa Quietsch … quietsch … wer bohrt denn da nach Öl?Bei Oscar ist ‘ne Schraube locker oder Onkel Paul, die große Pflaume. Schmerzhaft.

Ein weiteres bekanntes Beispiel bietet Mein Name ist Nobody von 1973. Der Western mit Terence Hill und Henry Fonda hat auch im Original humoristische Aspekte, behandelt aber durchaus ernsthafte Themen wie etwa Generationenkonflikte oder den übergroßen Druck, der aus Legendenstatus entsteht. Dass Terence Hill damals bereits einige erfolgreiche Komödien mit Bud Spencer gedreht hatte (die ebenfalls erstaunliche deutsche Titel-Stilblüten hervorbrachten), animierte die Übersetzer:innen offenbar dazu, den Film über seine ganze Länge mit Kalauern vollzustopfen.

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